Wochenende? Tagebauatmosphäre? Ein 11 km langer ‚Traum‘ aus Asphalt und Beton? Vier Radenthusiasten? 24h Zeit? – es war mal wieder so weit: Auf zum Velofondo 2023! Bruno (H.) berichtet.
Der geneigte Leser wird sich erinnern (Bericht Velofondo 2018). Radfahren – Check, Ausdauer – Check – also warum nicht mal wieder zu nem 24h‑Radrennen, wieder im 4er Team. Diesmal dabei: Mike, sein Sohn Nico, Dieter und ich. Und als Betreuerin Mikes Frau Sabine.

Das Ganze fand diesmal am Lausitzring statt – ja da war doch mal was mit 4 leicht bekannteren Triathletinnen und Triathleten (Sub7/Sub8: Blummenfelt und Matthews gewinnen epische Triathlonschlacht auf dem Lausitzring).
Szenerie: Industrie-/Betonromantik. Das Wetter traumhaft – tagsüber fast zu heiß.
Wir stellen unsere Wohnmobile ab, richten ‚das Lager‘ für die nächsten vierundzwanzig Stunden ein. Mittag sollte es losgehen auf die knapp 11 km Runde. Eine doch sehr überschaubare Zahl an Radsportbegeisterten versammelt sich an der Startlinie: 56 Einzelstarterinnen und -Starter, 6x 2er Teams, 21x 4er Teams und 1x 8er Team – macht 84 Personen gleichzeitig auf der Strecke.

Startschuss – Nico eröffnet für uns das Rennen und geht auf seine ersten 3 Runden. 3 Runden Takt haben wir uns gesetzt – das macht um die 50 Minuten Vollgas und dazwischen 2.5h Pause, in denen man versucht so gut wie möglich zu regenerieren, was im Wesentlichen bedeutet: Ausruhen, nachts ein wenig schlafen (oder es zumindest versuchen).

84 Starter - das war, so wird sich im Rennen schnell herausstellen, viel zu wenig für die lange Runde. Es bildeten sich ein, zwei Grüppchen und dazwischen viel nichts und ein paar vereinzelte arme Seelen allein auf weiter Flur. Also hieß es ‚Gruppe erwischen‘ oder mehr oder weniger ‚Einzelzeitfahren‘. Lieber Veranstalter: Bitte mehr Starter (na gut, da habt ihr wenig Einfluss drauf), kürzere Runde (ja das wäre doch gegangen) oder einfach Zeitfahrräder erlauben – dann hätte sich der geneigte Triathlet zumindest ‚heimisch‘ gefühlt.
Gut es war wie es war. Die Zeit und die Runden verflogen: Radeln, dazwischen Essen was die Verpflegungsstelle hergibt – Kuchen, Kekse, Gel, Früchte, Fettbemme. Auf die Uhr schauen: Wann bin ich wieder dran? Radeln, Ausruhen, wo ist die Uhr? Irgendwann weiß der Magen und Körper nicht mehr so richtig wo oben und unten ist, Zeit- und Raumgefühl verschwinden. Es wird Nacht – dunkel, Sterne – viele Sterne. Es ist stockfinster auf der Strecke, nur vereinzelt sieht man ein Rücklicht in der Ferne. Im kargen Lichtschein der eigenen Lampe: ein kleiner Flecken Asphalt.
Innerer Monolog um 3 Uhr nachts:
Warum mache ich das eigentlich?
Warum fahre ich hier gerade lang?
Ah, nächste Kurve links.
Wo ist hier überhaupt?
Ist hier noch jemand?
Nächste Kurve – war rechts oder?
7 Uhr, es dämmert – ein nicht nur sprichwörtlicher heller Streifen am Horizont. Noch 5 Stunden. Es wird wieder wärmer und die Stimmung auch wieder besser. Der Körper fühlt sich sogar noch halbwegs gut an.
Fast 12 Uhr - auf in die letzten Runden. Und hier sollte sogar nochmal leichte Dramatik aufkommen: Wir liegen auf Platz 5, der Vorsprung zum uns verfolgenden Team schmilzt – unaufhaltsam – die mussten eine Gruppe erwischt haben, die Glücklichen. Meine zwei letzten Runden, der letzte Stand am Monitor: kaum noch Vorsprung. Ich erwische einen schnellen Radfahrer und zu zweit geht es nochmal Vollgas auf die Strecke. Der andere Fahrer hat richtig Druck auf dem Pedal, das ist gut, das ist schnell – sehr schnell. 5 Minuten vor 12 Uhr, auf in die letzte Runde – die Zielzeit nach der Runde zählt jetzt. Wir hatten im Team ausgemacht, dass ich eine Nachricht geschickt bekommen, wenn das Verfolgungsteam auch noch vor 12 auf die letzte Runde geht. Meine Uhr brummt. Also weiter Vollgas, meine Kräfte schwinden. Mein Begleiter drückt weiter heftig aufs Tempo. Warum macht er das? Kopfkino an - mir schwant es schon - beim Führungstausch ca. 1 km vor Ziel kommt die kurze Nachfrage: Auf welcher Position seid ihr eigentlich? Auf Platz 5. Ein Lächeln auf dem Gesicht des Gegenübers - Wir sind die Sechsten. Noch 500 m, Schmerzen, 300 m, ein Antritt – ich kann nicht mehr folgen und rolle kurze Zeit später durchs Ziel.

Abklatschen, Freud und Leid, Schweiß in Strömen und nochmal völlige Verausgabung – das Velofondo 2023 geht zu Ende. 864 km, Platz 6 sind es am Ende.
Wir belohnen uns noch mit einer Grillrunde bevor es auf den Nachhauseweg geht. Und jetzt ist erst mal Regeneration angesagt.
Viele Grüße
Bruno (H.)
Als Nachtrag: Der erste Einzelstarter fährt eine Runde mehr als wir und kommt damit auf unvorstellbare 875km! Allein! Das ist Wahnsinn.